Worum es in dem Buch Die Freihandelslüge von Thilo Bode geht ist schnell erklärt. Auf einen Nenner gebracht soll das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen Amerika und der EU Verbraucherrechte und Umweltstandards, die in Europa gelten, gefährden. Auch Arbeitnehmerrechte seien in Gefahr, weil sie mehr von der Gnade der Konzerne abhängen würden, wenn TTIP, so der abgekürzte Name für das diskutierte Abkommen, Gesetz wird. Oder noch zugespitzter formuliert: TTIP nutze nur den Konzernen, schade aber allen Bürgern.
Die Freihandellüge – ein seriöses Buch
Das Buch erschien in der angesehenen Deutschen Verlags-Anstalt München. Schon das zeigt, dass es sich nicht um irgendein Buch oder irgendeine unwichtige Meinung zu TTIP handelt. Das würde die Deutsche Verlags-Anstalt nicht veröffentlichen. Und der Autor Thilo Bode ist nicht irgendwer. Der studierte Soziologe und Volkswirtschaftler arbeitete viele Jahre in der Industrie, bevor er von 1989 bis 1995 Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland und danach bis 2001 von Greenpeace International war. Ein Jahr später gründete er Foodwatch und mischt sich, das Buch beweist es, immer wieder ein, wenn er die Umwelt, Verbraucher- oder Menschenrechte gefährdet sieht. Das macht ihm natürlich nicht nur Freunde. Eine Gegnerin ist z. B. Ilse Aigner von der CSU, die ihm vorwirft, er schüre ein Klima der Verunsicherung, um Spendengelder und Mitglieder für Foodwatch zu gewinnen. Gerade auf dem Gebiet Nahrungsindustrie deckte Thilo Bode mit seinen Veröffentlichungen Abgespeist oder Die Essensfälscher auf, wie wir von den Nahrungsmittelkonzernen betrogen werden und was wir dagegen tun können. Unverständlich deshalb, dass gerade eine Landwirtschafts- und Verbraucherministerin Thilo Bode kritisiert. Ein Klima der Verunsicherung und Ablehnung des Bestehenden ist doch die Basis für Verbesserungen.

Die Freihandelslüge und ihre zwei Teile
Zwei Teile hat das Buch Die Freihandelslüge. Im ersten Teil erklärt Thilo Bode, was TTIP eigentlich ist. Für ihn bedeutet TTIP die Unterwerfung der Politik unter Konzerninteressen. Hart formuliert würden Parlamente entmachtet, weshalb Bode TTIP als Angriff auf die Demokratie deutet. Es würden Konzerninteressen zu Gesetzen und die Lobbyisten hätten es nach Unterzeichnung von TTIP noch leichter als bisher, die Politik zu steuern. Für Investoren bedeute der Vertrag gar eine Paralleljustiz, die sie besser stellt als jeden Bürger. Dem Volk wird TTIP dadurch verkauft, dass man auf mehr Arbeitsplätze und Wachstum der Wirtschaft durch TTIP setzt. Doch das sei ein Märchen. Der zweite Buchteil widmet sich der Frage, wie TTIP in unseren Alltag eingreifen würde, wenn das Kartell der Verharmloser die Verträge durchsetzen könnte. Gutes Essen sei bedroht (das berühmte Chlorhühnchen lässt grüßen), der Schutz vor Giften werde ausgehölt, unsere Vorsorge demontiert und die neue TTIP-Arbeitswelt entwickle einen Sog nach unten.

Die Freihandelslüge und ihre Gewinner
Das, was TTIP ermöglichen soll, so Thilo Bode, nämlich den Freihandel, das gerade verhindere der Vertrag und leiste Wirtschaftsinteressen und Protektionismus Vorschub. Das Transatlantic Trade and Investment Partnership-Abkommen diene globalen Konzernen, die ihre Marktanteile und ihren Einfluss absichern und ausbauen wollten. Konzerninteressen würden durch TTIP in Gesetze gegossen. Das bedeute zwar Freiheit der Wirtschaft, aber nicht Freiheit der Gesellschaft. Und die Politiker spielen zum größten Teil mit. Denn auch wenn Millionen Menschen hierzulande gegen TTIP sind, glauben sie 500 Millionen Menschen rechtmäßig zu vertreten. Möglich, dass wegen dieser Arroganz der Macht immer weniger Menschen Lust verspüren, sich an Wahlen zu beteiligen.

Worum es bei TTIP nicht geht
Es geht nicht um die Fragen, die immer wieder von den Befürwortern des Abkommens in den Vordergrund gerückt werden. Etwa darum, dass Airbags in der EU und in den Vereinigten Staaten unterschiedliche Kalibrierungen haben oder in Amerika rote Rücklichter, in der EU gelbe Rücklichter vorgeschrieben sind. Dass es sinnvoll ist, solche Regelungen zu vereinheitlichen, bezweifelt auch Thilo Bode nicht. Es geht darum, dass die Kompromisse, die dabei herauskommen, nicht zu Lasten der Bürger gehen und – bleiben wir beim Beispiel Airbag – eine Variante der Herstellung festgeschrieben wird, die zu weniger Sicherheit bei einem Aufprall führt, nur weil diese Variante für die Industrie günstiger herzustellen ist und mehr Gewinn bringt.
Auch wenn Angela Merkel und andere deutsche Politiker das Projekt TTIP als alternativlos beschreiben und Horrorszenarien an den Himmel malen wie die, dass uns größere Arbeitslosigkeit ohne TTIP drohe, dass Asien unsere Wirtschaft ohne TTIP überhole, dass wir uns von den Weltmärkten abkoppelten: Thilo Bode bleibt dabei, dass TTIP den Bürgern vor allem in Europa schade. Natürlich provoziert Thilo Bode in seinem Buch, er ist unbequem und geht mit dem Kartell der Wirtschaftsbosse und Politiker ins Gericht. Aber was, wenn es Menschen wie Thilo Bode nicht mehr gibt? Wenn es keine Denkanstöße mehr gibt?

Die Freihandelslüge lesen und mitreden!
Die Freihandelslüge liest sich wie ein Krimi. Angesichts des Dargestellten ging mir der Hut hoch. Schon allein die Tatsache, dass nicht Politiker die Verhandlungen über TTIP führen, sondern Unternehmensvertreter, Lobbyisten und Juristen. Die Politiker braucht man am Ende nur noch zum Zustimmen. Na schön, vielleicht ist es für die gewählten Politiker einfach ein bisschen zu hoch, was da verhandelt wird. Doch wozu braucht es dann noch Politiker? So ist TTIP auch ein Zeichen dafür, dass sich unser politisches System immer mehr in Richtung einer marktkonformen Demokratie – ich würde sagen Oligarchie – bewegt.
Wer bei TTIP mitreden will, sollte Die Freihandelslüge gelesen haben – ob Befürworter oder Gegner!